Zu schade fürs Gelände
Land Rover – da denken viele an Luxuskarossen oder rustikale Geländegänger. Dass die Briten auch anders können, zeigt der Range Rover Evoque. Das handliche Lifestylemodell passt sich Bedürfnissen moderner Großstadtbewohner an und bleibt dabei doch ein echter Range Rover. Billig ist zwar auch er nicht, mit Preisen ab 33.400 Euro aber deutlich günstiger als sein großer Bruder.
Zunächst mal bricht die sechste Modellreihe des britischen Traditionsherstellers ein Tabu: Erstmals ist ein Land-Rover-Modell nicht nur mit geländefähigem Vierradantrieb, sondern auch mit 2WD-Antrieb als preiswertere Alternative verfügbar. Und dann ist da das Karosseriedesign, deren Keilform zwar dynamisch, aber bei einem SUV doch etwas ungewohnt wirkt. Auffällig sind die sehr weit hochgezogene Gürtellinie und die vergleichsweise schmal sich nach hinten verjüngenden Fensterflächen.
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Schicke Seitenlinien. |
Hinzu kommen kurze Karosserieüberhänge, eine fließende Dachlinie und schwarze Dachsäulen. Erst in der Frontansicht lässt sich die Familienzugehörigkeit sofort erkennen, auch wenn sich die Designer auch hier ins Zeug legen durften: Die Lüftungsschlitze an Motorhaube und Kotflügeln sind in hochwertiger Metalloptik gehalten, Front- und Heckleuchten weisen innovative LED-Technik auf, und im Dunkeln überrascht das Heck mit einer dreidimensionalen Lichtsignatur in „Blütenblatt“-Optik.
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Macht sich aber auch super im Gelände. Fotos: Land Rover |
Der Evoque wurde als dreitüriges Coupé und als Fünftürer konzipiert. Um die beiden hinteren Türen unterzubringen, griffen die Ingenieure zu einem Trick und hoben die Dachlinie um 30 Millimeter an. Das kommt den Passagieren auf den Fondplätzen in Form von mehr Kopffreiheit zugute. Während der Fünftürer im Fond eine Sitzbank für drei Passagiere anbietet, besitzt das Coupé hier zwei Einzelsitze. Ob es unbedingt des Dreitürers gebraucht hätte, ist allerdings die Frage: Das Einsteigen nach hinten ist hier schon etwas bitter, um es vornehm auszudrücken – ganz im Gegensatz zum Fünftürer. Ansonsten verwöhnt der Evoque seine Insassen mit körpergerecht geformten Ledersitzen, die ein Höchstmaß an Sitzkomfort ermöglichen: Zahlreiche manuelle beziehungsweise elektrische Verstellmöglichkeiten erlauben eine individuelle Konfiguration. Recht ordentlich ist auch der Kofferraum dimensioniert, der sich auf bis zu 1445 Liter (Coupé: 1350 Liter) vergrößern lässt.
Eine nette Sache ist die „Ambiente“-Beleuchtung. Sie erlaubt es, mittels phosphorblauer und roter LEDs den in jedem Detail hochwertig gestalteten Innenraum dem persönlichen Geschmack entsprechend in fünf verschiedenen Lichtdesigns zu illuminieren, wobei sich neben der Farbe auch die Helligkeit regeln lässt. Sobald der Fahrer in den „Dynamik“-Fahrmodus umschaltet, um eine sportlichere Gangart zu wählen, wechselt die gesamte Beleuchtung einschließlich der Instrumententafel automatisch vom Standard-Blau in kraftvolles Rot.
Im Cockpit fällt auf, dass die Instrumente in Gestalt von Doppelanzeigen in 3-D-Form mit beleuchteten Zeigern und Skalen versehen sind. Das Fünf- beziehungsweise Acht-Zoll-Farbdisplay im Zentrum der Instrumententafel informiert über sämtliche wichtigen Betriebszustände, gibt Navigationshinweise und vieles mehr. Zudem lässt sich der Evoque mit allen heute denkbaren Assistenzsystemen aufrüsten. Das beginnt mit der Rückfahrkamera und reicht bis zum „Surround“-Kamerasystem, bei dem fünf Digitalkameras das Fahrzeugumfeld überwachen. Sollte der Fahrer dennoch etwas übersehen, warnt ihn ein gleichfalls optionales Alarmsystem am Außenspiegel vor Objekten im Toten Winkel. Mit gerade mal 4,36 Metern Länge ist der Evoque zwar gut zu rangieren. Da aber die Heckfenster nicht die allerbeste Sicht bieten, ist man über den Einparkassistenten an Bord dennoch dankbar.
Wir sind den mit einer Sechsstufenautomatik ausgerüsteten 2,2-Liter-Turbodiesel als SD4 mit 190 PS gefahren – ein standesgemäßer Antrieb, der seine Kraft auf alle vier Räder verteilt. Das sorgt in Verbindung mit einem ausgezeichneten Fahrwerk für hohen Komfort und ein Maximum an Sicherheit. So bietet der Evoque sportliches Handling, lässt sich souverän auch über holperige Landstraße bewegen und eignet sich, sollte es nötig sein, auch mit der gebotenen Vorsicht für unwegsames Gelände. Zwar ist der Allrad-Evoque wie seine Markenbrüder mit dem patentierten „Terrain Response“-System ausgestattet, das auf jedem Untergrund Traktion gewährleistet, und offenbart dank großzügiger Bodenfreiheit sowie guter Rampen- und Böschungswinkel im Test beste Offroad-Qualitäten. Aber: Wer einen Evoque fährt, wird ihn bestimmt nicht über Stock und Stein, durch Morast oder über staubige Pisten bewegen. Das alles kann das Auto, aber uns ist es dafür zu schade.
Range Rover Evoque 2.2 SD4 4WD
Hubraum: 2179 cm, Zylinder: vier (Reihe), Leistung: 140 kW (190 PS) bei 3500 U/min, maximales Drehmoment: 420 Nm bei 1750 U/min, Getriebe: 6-G-Automatik, Beschleunigung 0 – 100 km/h: 8,5 s, Höchstgeschwindigkeit: 195 km/h, Kraftstoff: Diesel, Länge/Breite/Höhe: 4365/1965/1635 mm, Radstand: 2660 mm, Leergewicht (DIN): 1715 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 2350 kg, Kofferraumvolumen: 1445 l, Tankinhalt: 58,l, Verbrauch: 6,5 (innerorts: 7,9, außerorts: 5,7) l/100 km, CO2-Emission: 174 g/km, Energieeffiziensklasse: X, Abgasnorm: Euro 5, Preis: ab 38.100 Euro.
Bis auf Millimeter dem Vorbild treu
Als Land Rover auf der „North American International Auto Show 2008“ eine Konzeptstudie enthüllte, horchte die Automobilwelt auf. Das Land Rover LRX genannte Concept Car brach mit nahezu allen Konventionen – nicht nur jenen von Land Rover, sondern der Branche überhaupt. Eine geradezu aggressive Keilform hob die Studie weit aus der SUV-Menge her- aus. Rund dreieinhalb Jahre nach Detroit rollt mit dem Range Rover Evoque das Serienmodell des kühnen LRX heran. Und es gleicht dem Vorläufer wie ein Ei dem anderen. Fast bis auf den Millimeter genau übernahm der Evoque die Dimensionen der Konzeptstudie – natürlich auch den Charme, den Stil und die urbane Modernität des Vorbilds.
Text: Karin Weise
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